Bürgergutachten zur CO2-Bepreisung
An 5 virtuellen Terminen haben 21 Bürgerinnen und Bürger aus Greifswald und Umgebung eine Bepreisung von CO2-Emissionen besprochen und Vorschläge erarbeitet, wie eine solche Bepreisung gerecht ausgestaltet und welche Maßnahmen sie ergänzen sollten.
Das Ergebnis wurde am 15.12.2020 Herrn Oberbürgermeister Dr. Fassbinder von den Bürgerinnen und Bürgern, den Auftraggebern und dem durchführenden Institut bei einer virtuellen Veranstaltung im Rathaus Greifswald und über die Konferenzsoftware Zoom übergeben. Die Organisation und Durchführung geschah im Rahmen von WindNODE in Zusammenarbeit von der Technischen Universität Berlin, dem nexus Institut, der Stadt Greifswald und dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM).
Alle Mitwirkenden und die Öffentlichkeit waren eingeladen, virtuell dabei zu sein. Damit war die Übergabe ähnlich dem Beteiligungsprozess, nämlich hybrid. Dies zeigt, dass auch in Pandemie-Zeiten Bürgergutachten erfolgreich durchgeführt werden können.
Das Gutachten selbst wurde auf der Veranstaltung vorgestellt:
CO2-Bepreisung bedeutet: das Freisetzen des Treibhausgases CO2 – bislang ein „Kavaliersdelikt“ – bekommt einen Preis, und zwar unabhängig davon, wo, durch wen, und wofür dieses Treibhausgas freigesetzt wird. Die Bundesregierung hat eine solche CO2-Bepreisung beschlossen (BEHG, Bundesemissionshandelsgesetz). Ab Januar 2021 kostet das Freisetzen einer Tonne CO2 zunächst 25 Euro. Diesen Preis zahlen direkt die Importeure von Brennstoffen; indirekt tragen ihn natürlich auch die Verbraucher, denn Benzin, Kohle, Gas und Heizöl werden dadurch teurer. Damit werden auch Produkte teurer, bei deren Herstellung viel CO2 frei wird.
Dieses neue Instrument der Klimapolitik ist nur ein Anfang. Viele Fragen zur zukünftigen Höhe, Ausgestaltung und Flankierung der Bepreisung hat die Bundesregierung bewusst offengelassen. Noch ist nicht ganz klar: Wie wird sich dies auswirken? Ist dies sinnvoll oder sinnlos? Wer ist besonders betroffen? Welche begleitenden Maßnahmen sind notwendig? Sind wir dazu bereit, oder geht uns das nicht weit genug? Wie wichtig ist uns der Klimaschutz? Was sind die regionalen Auswirkungen?
Redebeitrag - Jan Suchanek, TU Berlin, Wissenschaftliche Betreuung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Fassbinder,
geehrte Bürgerinnen und Bürger aus Greifswald und Umgebung,
geehrte Mitwirkende und Pressevertreter,
Zum Hintergrund
WindNODE erforscht im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Flexibilitätspotentiale im Energiesystem für eine Zukunft mit 100% Erneuerbaren Energieen. Ein Teil davon ist die WindNODE-Akademie für den Austausch von Experten untereinander. Dabei wurde deutlich: je komplexer ein Sachverhalt, desto wichtiger ist das Gespräch. Und dieses Gespräch dürfen nicht Fachleute nur untereinander führen. Vielmehr ist es wichtig, über die Energiepolitik als Teil der Klimapolitik mit allen zu sprechen, die davon betroffen sind: und das sind wir alle, also alle Bürgerinnen und Bürger. Daher haben wir nun eine Planungszelle zur Erarbeitung eines Bürgergutachtens durchgeführt.
Dazu wurde eine Stichprobe aus dem Melderegister von Greifswald und Umgebung gezogen und Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme eingeladen. Die Wahl fiel dabei auf Greifswald, weil ein Partner von WindNODE das IKEM-Institut ist: das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität. Das Thema der Planungszelle war die Einführung eines Preises auf CO2-Emissionen. Eine solche hat die Bundesregierung 2019 beschlossen, und ab Januar 2020 werden CO2-Emissionen in Deutschland durchgehend bepreist. Das führt zu wesentlichen Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Gebäuden und Mobilität. Offen gelassen hat die Bundesregierung die zukünftige Gestaltung dieses Preises:
- soll er steigen, und wenn ja, wie sehr?
- welche flankierenden Maßnahmen sind für eine gerechte Ausgestaltung notwendig?
Zu diesen Fragen haben die 21 Bürgerinnen und Bürger unter Moderation des nexus instituts diskutiert und ein Bürgergutachten erarbeitet. Dieses Ihnen, Herr Dr. Fassbinder, heute überreichen zu dürfen ist uns eine Ehre.
Zur Fragestellung
Das Forschungsinteresse war zum einen: welche Vorschläge erarbeiten Bürgerinnen und Bürger? Und zum anderen: wie funktioniert dieses Mittel, also das Bürgergespräch in Form einer Planungszelle? Gelingt es uns, ein gutes Gespräch mit echten Resultaten zu etablieren?
Zum Verfahren
Die Planungen für das Verfahren begannen vor Ausbruch der Pandemie. Diese Pandemie hat uns natürlich - wie Sie alle - vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Denn sie macht nicht nur die Durchführung von Beteiligungsformaten schwierig. Sondern sie droht auch von der Dringlichkeit abzulenken, im Gespräch Lösungen für die Menschheitsherausforderung Klimawandel zu suchen.
Ich bin glücklich über die Entscheidung, diese Planungszelle auch unter diesen schwierigen Umständen durchzuführen. Ich bin dankbar für den Einsatz der Expertinnen und Experten, die in Kurzvorträgen nicht immer einfache Sachverhalte gemeinverständlich dargestellt haben. Ich bin vor allem glücklich und dankbar über den Einsatz der Bürgerinnen und Bürger und begrüße die Empfehlungen. Denn diese geben der Politik Impulse und Orientierung.
Zu den Ergebnissen
Die Bürgerinnen und Bürger befürworten die Einführung eines CO2-Preises als Anfang einer vernünftigen Politik zur Vermeidung des Klimawandels. Tatsächlich können sich die meisten einen noch höheren Preis vorstellen. Davon unabhängig wird deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung sich an den Bedürfnissen, der Belastbarkeit und der Verursachergerechtigkeit orientieren muss.
In allen der genannten Bereiche - Verkehr, Wohnen, Energie, aber auch Konsum und Landwirtschaft - brauchen wir Gespräche, Konsensfindungen und ausgleichende bzw. flankierende Maßnahmen. Die Vorschläge im Einzelnen dazu finden Sie in dem Bürgergutachten, dass ich Ihnen hiermit dankend und hoffnungsvoll übergebe.
Herzlichen Dank.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Suchanek: suchanek@. tu-berlin.de